Deutschesprachige Erstaufführung am BALLHAUS NAUNYNSTRASSE
Der kleine Bruder des Ruderers
Von Kossi Efoui
Regie: Simone Dede Ayivi
Mit: Jean-Philippe Adabra, Mike Adler, Theresa Henning
Premiere: 24.9.2010, Ballhaus Naunynstraße Berlin
Hildesheim-Premiere 1.10., Theaterhaus Hildesheim
Ohne Ort wird man schüchtern. Das hat Kari umgebracht: Schüchternheit. Das ist, als ob dein ganzer Körper schwimmt. Irgendwann willst du nur noch, was praktisch ist. Praktisch ist, überhaupt keine Haut zu haben, keine Geschichte. Punkt.
Wo soll Kari beerdigt werden, hier oder dort?
Es ist die Totenwache von Kari, die sich vor drei Tagen aus dem Fenster gestürzt hat. Ihre Freunde warten auf den Ruderer, der ihren Körper abholen und die Leiche auf die Seereise mitnehmen soll. Dorthin, wo Kari nie war. Keiner kann oder will eine Antwort finden, warum sie sich umgebracht hat. So reflektieren ihre Freunde das eigene Leben zwischen den Welten, sie fragen, wo ihr Zuhause ist: hier, wo sie geboren sind, oder dort, woher ihre Eltern kommen, weil das Leben beginnt, bevor man auf die Welt kommt. Kann man an einem Ort zu Hause sein, den man nur aus den Ferien kennt?
Die junge deutsch-togoische Regisseurin beschäftigt sich in ihrer Inszenierung mit afrikanischer Herkunft und Migration als Teil ihrer eigenen Geschichte. Das Stück erzählt von drei Menschen, für die das Leben zwischen zwei Kulturen selbstverständlich ist, die für manche Probleme jedoch eine unkonventionelle Lösung brauchen. Der mehrfach ausgezeichnete togoische Autor Kossi Efoui lebt heute in Frankreich.
Eine Produktion von Kultursprünge im Ballhaus Naunynstraße in Kooperation mit dem Theaterhaus Hildesheim, gefördert durch den Fonds Darstellende Künste, das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, die interkulturelle Projektförderung Berlin, DKLB und den Projektfonds des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg.
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akademie der autodidakten
TAG FÜR TAG – YALANCI DÜNYA
Von und mit Ayhan Sönmez
Musik: Volkan T. / Bühne: Suat Durmaz / Dramaturgie: Barbara Kastner / Produktion, Dramaturgieassistenz: Marion Meyer
Premiere 8.2.2011
Ein Mann verliert seinen Glauben und macht sich auf die Suche. Wo er ankommen wird, weiß er nicht. Selbstironisch begibt er sich auf eine innere Reise: Er erinnert sich an seine Kindheit, rechnet mit Gott und seinem Leben ab und beschreibt die Wirkung der Außenwelt auf seine Innenwelt. Das »das ist so« seiner Eltern, seiner Freunde, mit dem ihm die Welt erklärt worden ist, gibt es nicht mehr. Yalancı Dünya (Verlo- gene Welt): Entweder du akzeptierst die Geschichten, die dir erzählt werden, oder du sagst nein und schreist dagegen an. Ausgangspunkt für Tag für Tag waren autobiografische Gedanken und Tagebuchaufzeichnungen.
Ayhan Sönmez arbeitet als Schauspieler und Regisseur, zuletzt insze- nierte er am Ballhaus Naunynstraße Was machst du morgen?, spielte selbst in Was will N. in der Naunynstraße? und war Pate der Kiez- Monatsschau.
Ein Projekt von Kultursprünge im Rahmen der akademie der autodidakten im Ballhaus Naunynstraße
Gefördert durch die Interkulturelle Projektförderung des Landes Berlin
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Im Rahmen von DOGLAND - Junges postmigrantisches Theaterfestival
DER BESUCH
Text und Regie: Hakan Savaş Mican
Premiere am 13.12.2008, 20 Uhr,
Mit Sanam Afrashteh (Melike), Adolfo Assor (İhsan), Heide Simon (Ada), Alexander von Hugo (Eyal), Janina Rudenska und Ninoschka Schlothauer (Leid und Hunger)
Bühnenbild: Alexander Wolf, Kostümbild: Malena Modéer,
Dramaturgie: Barbara Kastner, Regieassistenz: Uta Kindermann,
Produktion: Sylvia Erse Keller, Bühnenbildassistenz: Justus Saretz
An diesem Ort war ich noch niemals: Anders geht der Atem, blendender als
die Sonne strahlt neben ihr ein Stern. (Franz Kafka)
Berlin, Anfang des 21. Jahrhunderts. Eine 500-Kilo-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg wird gefunden: Evakuierung. Notunterkünfte.
Es treffen sich Menschen, die sich sonst nie begegnen würden. Ada und ihr Sohn Eyal aus Israel sind ein paar Tage in Berlin, um die letzte Verbindung zu Deutschland zu kappen. Bei İhsan und seiner Enkeltochter Melike sind die familiären Bindungen längst zerbrochen. Melike flieht aus der türkischen Kleinbürgerlichkeit in der deutschen Provinz und İhsan trauert um seine Heimat – seinen Tomatengarten in Berlin.
Jeder trägt eine Bombe in sich, die in dieser Nacht explodieren kann, als offene Rechnung mit der Vergangenheit. Hier ist Berlin. Hier holt die Vergangenheit die Gegenwart ein.
So ist es mein Kind. Wir sind Besucher. Wir träumen immer von dem Ort, wo wir nie waren.
Ihsan (nach Puschkin)
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DIE SCHWÄNE VOM SCHLACHTHOF
Text und Regie: Hakan Savaş Mican
Mit: Hendrik Arnst, Henny Reents, Sesede Terziyan, Michael Wenzlaff, Mehmet Yılmaz
Bühne und Kostüm: Lea Walloschke
Dramaturgie: Barbara Kastner
Musikalische Begleitung: Turgay Ayaydınlı
Produktion: Sylvia Erse Keller
Regieassistenz: Laura Kraus
Ausstattungsassistenz: Maja Zimmermann
Was Mican, der das Stück auch selbst geschrieben hat, aus den Interviews mit vier real existierenden Personen entwickelt hat und wie er die Erinnerungen an die ertrunkenen Kinder wie surreale Träume zwischen diese Geschichten spinnt, ist spannend, traurig und verrückt.
Berliner Zeitung
Mican dreht den Blickwinkel um und erzählt: Mann türkisch – West, Frau deutsch – Ost; eine Liebesgeschichte zum Heulen komisch.
RBB
Ohne Pass und Grenzkontrolle kamen in die DDR nur die kleinen Jungen, die zwischen 1966 und 1975 in der Spree ertranken. Für Hakan Savaş Mican sind die ertrunkenen Kinder der Ausgangspunkt für das Stück über die Mauer und den Mauerfall aus postmigrantischer Perspektive. In Bruchstücken von Erinnerungen wird Geschichte erzählt: Von West-Berliner Kindern, die im Schatten der Mauer aufgewachsen sind; von der Kommunistin aus İzmir, die ins Land ihrer Träume, in die DDR floh; vom anatolischen Landarbeiter, der in Magdeburg mit Döner das große Geld machte, aber seine Unschuld verlor und von einem West-Berliner Migrantenjungen, der sich in ein Mädchen aus Marzahn verliebte. Die Schwäne vom Schlachthof ist eine Suche nach verlorenen Erinnerungen an eine vergangene Zeit, als die Grenzen und Mauern durch Berlin und zwischen den Menschen noch sichtbarer Beton waren.
Eine Produktion von Kultursprünge gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Interkulturelle Projektförderung des Landes Berlin.
Ausgewählte Projekte der Dramaturgin Barbara Kastner am Ballhaus Naunynstraße